Open Space-Büros sind die Definition einer kommunikationsfördernden Bürolandschaf
Wer am Berliner Hauptbahnhof mit dem Zug ankommt, dem fällt sofort das Gebäude des Energieunternehmens 50Herz ins Auge. Das Tragwerk des 56 Meter hohen Turms aus netzartig angeordneten, stahlummantelten Betonpfeilern ist komplett außenliegend. Da es im Inneren des Gebäudes keiner weiteren Stützen mehr braucht, ist dort eine Bürolandschaft mit einem Maximum an Offenheit entstanden. In dem 50Herz Headquarter sitzen die Mitarbeiter nicht mehr alleine oder zu zweit in kastenförmigen Zellen, die sich entlang künstlich beleuchteter Flure aufreihen. Sie bewegen sich in unterschiedlichen Zonen, die fließend ineinander übergehen. Man trifft auf loungeartige Bereiche, wo es so gemütlich aussieht wie im Wohnzimmer. Zum konzentrierten Arbeiten oder Telefonieren kann man sich in verglaste Boxen oder in eine „Phone Booth“ zurückziehen.
Das neue Office: Das Open Space-Konzept
Nach dem Prinzip des „Open Space“ gestaltete Grundrisse sind bei der Einrichtung von Büros derzeit stark auf dem Vormarsch. Der Trend wurde von den Dot-Com Firmen im Silicon Valley an der Ostküste der USA losgetreten und lässt sich derzeit vor allem in europäischen Startup Zentren wie zum Beispiel Berlin oder München beobachten.
Man könnte in den neuen Büros der Techszene einfach nur die Wiederauflage des klassischen Großraumbüros sehen. Der Trend zu mehr Offenheit spiegelt aber einen grundsätzlichen Wandel wieder. In einer immer mehr von der Digitalisierung geprägten Arbeitswelt wird oft nur noch projektgebunden in Teams gearbeitet. Herkömmliche Strukturen, wo die Mitarbeiter die Tür hinter sich zu machen, stehen im Widerspruch zum den barrierefreien Workflows in modernen Unternehmen. Ein großer Unterschied zwischen Open Space und Großraumbüro: Open Space ist im in seiner Offenheit nicht total, sondern läßt vielfältige Formen der Zusammenarbeit zu. Man kann sich auch in geschlossene Bereiche zurückziehen und dort alleine oder in kleinen Gruppen arbeiten. Damit die gewünschte Transparenz nicht verloren geht, sind die geschlossenen Einheiten oft großzügig verglast. Immer noch treffen sich die Teams auch regelmäßig am großem Tisch mit 20 Personen und mehr.
Das von Teamwork und Kommunikation geprägte Arbeiten verlangt nach anderen Strukturen. Der Chef regiert nicht mehr einsam auf einem Ledersessel am überdimensionierten Schreibtisch. Er gesellt sich zum Meeting auf ein treppenförmiges Podest, wo sich die Mitarbeiter mit dem Laptop einfinden. An die Stelle massiger Aktenschränke treten Whiteboards voller Post-it Sticker mit vielen neuen Ideen. Ohne Innovation und ständige Erneuerung können Unternehmen im globalen Wettbewerb nicht mehr bestehen.
Open Space Office in Warschau
Für Open Space-Büros gibt bereits viel Beispiele. Die neuen Arbeitsräume des auf Audio- und Bildtechnologien spezialisierten amerikanischen Unternehmens „Dolby“ in Warschau sind ein sehr gutes. Cushman & Wakefield hat das Projekt als Entwickler begleitet. Man findet in den neuen Räumen von Dolby alle typischen Elemente einer modernen Officewelt wieder. Die Schreibtische – heute nennt man sie nur noch „Workbenches“ – stehen nicht isoliert hinter verschlossenen Türen, sondern sind in offenen Raumzonen gruppenweise platziert. Es gibt zusätzlich geschlossene Einheiten, Boxen oder Nischen, wo die Mitarbeiter ungestört telefonieren oder kleinere Meetings abhalten können. Zum Gespräch trifft man sich nicht nur am Besprechungstisch, sondern auch in der Sofalounge.
Mehr Farbe und Natur
Der Office-Alltag ist nicht mehr nur grau, sondern er wird bunt. In den Dolby Büroräumen findet man überall Akustikstoffe in knalligen Farben, die die Geräuschkulisse regulieren. Mit vielen grünen Pflanzen setzen die Einrichtungsplaner weitere Akzente. Im Dolby Office fristeten die Pflanzen nicht mehr ein bescheidenes Dasein im Topf. Sie dürfen sich als „Vertical Garten“ in voller Pracht entfalten. Die natürlichen Pflanzen an der Wand setzen nicht nur einen Gegenpol zur künstlichen Welt des Digitalen, sie sorgen auch für ein angenehmes Raumklima.
Hacker Chic im Coworking-Space
Neben den Tech- und Startup-Firmen sind die neuen Coworking Spaces Treiber der veränderten Bürowelt. WeWork ist weltweit einer der größten Anbieter von Coworking-Flächen. Allein in Berlin unterhält das 2010 in New York gegründete Unternehmen sechs Standorte, ein siebter ist in Planung. Bei WeWork ist umgesetzt, was die amerikanische Journalistin Alexandra Lange „Hacker Chic“ nennt. Das Interior der Coworker erinnert nur noch wenig an die Welt der genormten Office-Stühle und Schreibtische. Man findet viele Vintage-Möbel, wieder auch eine üppige Pflanzenwelt, bei den Materialien dominieren Holz und Textilien. Das Ambiente erinnert mehr an eine Starbucks-Filiale oder an die Lobby eines Boutique-Hotels als an ein Büro.
Katalysator für Ideen
Mit dem „Hacker Chic“ wird eine urbane Klientel angesprochen, die nicht mehr mit Schlips und Kragen am Schreibtisch sitzt. Der neue Digitalarbeiter begibt sich mit dem Laptop dahin, wo es gerade passt. Er arbeitet oft gar nicht mehr im Büro, sondern auch zu Hause, im Zug oder Café, bei schönen Wetter manchmal sogar auf der Wiese im Park. Die Coworking Spaces von WeWork und anderen bilden diese örtliche Ungebundenheit der Digital Natives ab. Es mischen sich bei der Einrichtung wie selbstverständlich Elemente des Arbeitens mit denen des Wohnens oder der Gastronomie. Das vielschichtige Interior-Design macht den Arbeitsplatz zu einem Ort, der inspiriert und die Kreativität beflügelt. Die offenen Strukturen laden ein, miteinander zu kommunizieren und sich zu vernetzen. Das Büro ist nicht nur Arbeitsstätte, sondern auch ein Katalysator für viele neue Ideen und Projekte.
Von Frank Masuhr, Head of Project & Development Services
Frank Masuhr leitet den Bereich Project & Development Services bei Cushman & Wakefield in Deutschland und verfügt als Ingenieur u. a. über umfangreiches Wissen und langjährige Projekterfahrung in der Beratung multinationaler Investoren, Bauherren und Mieter / Nutzer.
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© deWinder, Fotos: Mark Seelen
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