Der Pflegemarkt gilt als Wachstumsmarkt. Dafür sorgt alleine schon der demographische Wandel in den westlichen Industriestaaten. Auch in Deutschland ist dieser Megatrend irreversibel und mit einer alternden Gesellschaft steigt – trotz des medizinischen Fortschritts – die Zahl pflegebedürftiger Menschen. Waren im Jahr 2017 rund 2,9 Millionen Menschen pflegebedürftig, so dürfte sich diese Zahl bis 2030 um rund 20 Prozent auf über 3,5 Millionen erhöhen. Bereits heute übersteigt aber die Nachfrage das Angebot nach (teil-)stationären Pflegeplätzen. Wartelisten für die Unterbringung der pflegebedürftigen Eltern oder hochbetagten Verwandten sind angesichts der ausgelasteten Pflegeeinrichtungen keine Seltenheit mehr.
Unterstellt man für die nahe Zukunft gleichbleibende Pflege- und Heimquote ist bis 2030 der Bau von gut 320.000 neuen Pflegeplätzen zwingend erforderlich. Daneben ist eine Vielzahl der bestehenden Pflegeheime in die Jahre gekommen und weisen entsprechend einen hohen Instandhaltungsstau auf. Die erforderlichen Neu- und Reinvestitionen belaufen sich laut dem im Herbst vergangenen Jahres veröffentlichten Positionspapiers des ZIA entsprechend auf rund 70 Mrd. €. Darüber hinaus fehlt ein ausreichendes Angebot an alternativen Wohnformen für Pflegebedürftige, allen voran barrierefreie Wohnungen gemäß DIN 18040-2, um der gebotenen engeren Verzahnung von ambulanter und stationärer Dienstleistungen zum Wohle der Pflegebedürftigen gerecht zu werden.
Leider wird dieser Aspekt in der derzeit geführten öffentlichen Diskussion rund um den Gesetzentwurf mit dem sperrigen Namen „Pflegepersonal-Stärkungsgesetz“ analog zur „Konzertierten Aktion Pflege“ im Koalitionsvertrag völlig außer Acht gelassen. Mehr Personal, besser ausgebildet und auch besser bezahlt sowie die gesellschaftliche Aufwertung des Pflegeberufs sind ebenso notwendig wie verlässliche und nachhaltig gültige Rahmenbedingungen für Investitionen in Pflegeheime.
Ohne Privatinvestoren schaffen wir es nicht
Die drohende Unterversorgung mit adäquaten Pflegewohnformen zu vermeiden und den immer größer werdenden Pflegenotstand abzuwenden ist eine gesamtwirtschaftlich wichtige Aufgabe, die ohne private Investitionen zu auskömmlichen Renditen nicht mehr zu bewältigen sein wird. Bereits heute werden 42 Prozent der rund 11.500 nach SGB XI zugelassenen stationären Pflegeheime von privaten Träger betrieben – Tendenz weiter steigend angesichts eines stark fragmentierten Marktes. Und auch bei den Investitionen in die Pflegeimmobilien dominieren börsennotierte Immobiliengesellschaften und institutionelle Investoren, die eine langfristige Investmentstrategie verfolgen. Zwischen 2013 und 2017 wurden bereits über 6,3 Mrd. € deutschlandweit in Pflegeimmobilien und Seniorenresidenzen investiert. Für 2018 erwarten wir ein Transaktionsvolumen von bis zu 1,5 Mrd. €, zumal bis dato bereits über 900 Mio. € an Investments in dieser Assetklasse registriert wurden. Zu beobachten ist dabei, dass sich am hiesigen Markt vermehrt Health Care REITs und auf diese Assetklasse spezialisierte Investmentfonds engagieren.
Damit auch zukünftig die dringend benötigten Investitionen für neue und kreative Betreuungs- und Wohnformen, die den Bedürfnissen der wachsende Zahl an Pflegebedürftigen gerecht werden, am Markt zur Verfügung gestellt werden können, bedarf es dem Abbau regulatorischer Investitionshemmnisse. Strikte Vorgaben zur Einzelzimmerquote oder zur Mindestgröße für Pflegezimmer, die in den sechszehn Bundesländern nicht einheitlich geregelt sind, sind für die Bewältigung dieser großen Herausforderung sicherlich nicht zielführend. Angesichts weiter steigenden Bau- und Grundstückskosten muss darüber hinaus auch eine marktgerechte Indexierung der Investitionskosten sichergestellt werden. Langfristig orientierte Investoren brauchen Planungssicherheit, keine einengende Planwirtschaft.
Quelle: Cushman & Wakefield Research, 2018
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Von Dr. Jan Linsin, Partner und Head of Research Northern Cluster bei Cushman & Wakefield
Dr. Jan Linsin ist seit April 2018 Partner und Head of Research Northern Cluster bei Cushman & Wakefield. Mit der neu geschaffenen Stelle verantwortet er die Forschungsbereiche der Länder Deutschland, Schweden, Niederlande, Belgien und Luxemburg.
Dr. Jan Linsin verfügt über fast 20 Jahre Berufserfahrung in der Immobilienbranche. Vor seinem Wechsel zu Cushman & Wakefield war der promovierte Ökonom seit 2008 als Head of Research Germany bei CBRE tätig. Sein dortiger Tätigkeitsschwerpunkt war die inhaltliche und strategische Ausrichtung auf die Immobilienmarktforschung und auf immobilienbezogenen Investment-Research. Vor 2008 war Dr. Jan Linsin Senior Market Analyst in der Abteilung Research & Strategie der DEGI Deutsche Gesellschaft für Immobilienfonds mbH sowie Leiter der volks- und immobilienwirtschaftlichen Abteilung des IVD Süd.