Wie verändern sich urbane und ländliche Mobilität? Und welchen Einfluss hat das auf Immobilien?
Wir hatten das Vergnügen ein Interview mit Dominik Radic, Gründer des Münchner Startups Veomo zu führen. Das junge Softwareunternehmens informiert auf großen Monitoren in Echtzeit über verfügbare Mobilitätsdienste.
Viviana: Vielleicht mal zum Einstieg: Welche interessanten Fakten hast du für uns in Sachen Mobilität parat?
Dominik: Fakt ist, es geht längst nicht so mobil in Deutschland zu, wie wir das gerne hätten. Jeder deutsche Pendler steht durchschnittlich 120 Stunden pro Jahr im Stau, 95 Prozent des Tages werden 47 Millionen der zugelassenen Pkws nicht genutzt. Diese Fakten sprechen mehr für Stillstand als für Mobilität.
Neue Mobilitätsdienste wie Carsharing, Ridehailing, Scootersharing und viele weitere Dienste sind Angebote, die in Städten den Besitz eines eigenen Fahrzeugs inzwischen überflüssig machen. Diese Dienste verändern bereits jetzt unser Mobilitätsverhalten und sind Teil unseres Stadtbilds geworden. Wir gehen davon aus, dass sie in Zukunft für eine vernetztere, flexiblere, effizientere und nachhaltigere Mobilität sorgen werden. Diese Form der Fortbewegung wird neue Mobilität genannt.
Viviana: Und jetzt mal etwas größer gedacht: Welches sind die größten Herausforderungen und Themen bei der Mobilität?
Dominik: Bis die neue Mobilität vollständig in der Gesellschaft angekommen ist, gilt es noch einige Hürden zu überwinden. Bewusstsein für neue Mobilität schaffen, erachten wir als eine große Herausforderung, die wir gerne annehmen.
Es geht darum alte Gewohnheiten aufzubrechen und den Menschen neue Möglichkeiten der Mobilität zugänglich zu machen. Wenn sich etwas ändern soll, müssen wir als Gesellschaft für neue Konzepte aufgeschlossen sein und von alten Denkmustern Abstand nehmen.
Zum Beispiel erhalten Angebote der Mikromobilität wie E-Scooter oft viel Gegenwind, unter anderem mit der Begründung sie stehen im Weg herum. Das parkende Autos jedoch ein Vielfaches an Lebensraum nehmen, wird ignoriert. Sie sind inzwischen zu sehr Teil unseres Stadtbilds und fest etabliert.
Wenn zudem Mobilitätsanbieter enger miteinander kooperieren würden, hätten wir die Chance auf ein leichter zugängliches und umfassenderes Mobilitätsangebot mit einer höheren Verfügbarkeit.
Diese Herausforderungen zeigen, dass wir alle an einem Strang ziehen müssen, um etwas voranzutreiben.
Viviana: Du hast selbst gar kein Auto. Was waren deine Beweggründe dafür und würdest du sagen, dass der Verzicht auf ein Auto typisch für eure Generation ist?
Dominik: Ich wohne zusammen mit meiner Freundin in der Stadt. Wir haben uns beide bewusst gegen die Anschaffung von einem eigenen Fahrzeug entschieden. Aus konservativer Sicht kann der Verzicht auf ein eigenes Auto als fehlende Lebensqualität betrachtet werden, doch wir sehen das anders:
Oft stehen die Anschaffungs- und Betriebskosten eines eigenen Autos nicht in Relation zum Nutzen. Angebote der Mikromobilität ermöglichen in urbanen Gebieten einen schnellen und meist günstigeren Zugang. Zudem kommt man in Innenstädten ohne Auto meist sogar zügiger voran als mit einem PKW, es entfallen beschwerliche Parkplatzsuchen und Stauprobleme.
Falls gelegentlich doch ein Auto für einen Wochenendausflug benötigt wird, kann man zum Beispiel immer noch auf kostengünstige Carsharing-Angebote zurückgreifen. Es braucht oft nur eine Aktion in einer App und schon hat man sich unkompliziert und günstig ein Auto organisiert, spontan und ohne große Verbindlichkeiten.
Der Verzicht auf das eigene Auto ist definitiv ein Trend. Das eigene Fahrzeug verliert nach und nach seine Stellung als Statussymbol. Junge Städter nutzen inzwischen gerne die Flexibilität, die ihnen durch die Nutzung von vielen verschiedenen Mobilitätsdiensten gegeben wird.
Viviana: Warum ist das Thema Mobilität deiner Meinung nach so wichtig für die Immobilienwirtschaft?
Dominik: Nicht nur das Mobilitätsverhalten meiner Freundin und mir verändert sich, sondern durch die Vielzahl an neuen Möglichkeiten auch das Mobilitätsverhalten anderer Städter und damit auch die Anforderungen an eine attraktive Immobilie.
Die Vermarktung einer Immobilie ohne eine Beschreibung der Verkehrsanbindung ist nicht vorstellbar. Allerdings stellen bestehende Immobilien-Exposés Mobilität nicht in ihrem vollen Umfang dar. Inzwischen reicht es nicht mehr aus, die Verkehrsanbindung mit der nächstgelegenen Haltestelle zu beschreiben.
Mieter und Besucher werden vermehrt auf Angebote der Mikromobilität wie E-Scooter zurückgreifen und auch mit Sharingfahrzeugen anreisen. Durch die Veranschaulichung sämtlicher umliegender Mobilität wird im Rahmen der Vermarktung die Attraktivität des Standorts gesteigert.
Zudem werden Immobilien, die derzeit nicht direkt an der U-Bahn liegen, jedoch ein großes Angebot an neuen Mobilitätsdiensten besitzen und diese auch vermarkten, an Attraktivität gewinnen und damit das Wettbewerbsumfeld verändern.
Wir sind davon überzeugt, dass sich langfristig Immobilien zunehmend mit der umliegenden Mobilität verbinden und sogar eigene Mobilitätsdienste als Service für Ihre Mieter und Besucher anbieten werden.
Viviana: In zwei Sätzen: Beschreib mal euren Ansatz: Was bietet ihr genau und für wen?
Dominik: Unsere Software Veomo visualisiert in Echtzeit auf großen Monitoren die Verfügbarkeit von Mobilität. Zu den Mobilitätsinformationen gehören die Abfahrtszeiten des ÖPNV inklusive Verspätungen, Distanzen zum nächsten Sharingdienst, Wartezeiten auf den nächsten Taxiservice und eine Umgebungskarte mit dem genauen Standort der Dienste. Damit reduziert Veomo den täglichen Pendelstress, fördert die Vermarktung und die Attraktivität des Standortes, sowie ein nachhaltiges Mobilitätsverhalten.
Unser Echtzeit-Mobilitätsmonitor wird an hochfrequentierten Orten wie der Lobby, Ein- und Ausgangsbereichen und Kantinen aufgestellt. Die angezeigten Mobilitätsinformationen können zusätzlich allen Mietern auf dem Smartphone und Computer bereitgestellt werden – ohne Softwareinstallation. Veomo wird von Unternehmen, Immobilien, Messen, Hotels und Flughäfen lizensiert.
Viviana: Ihr startet euren Service in Hamburg und Wien. Als Außenstehende bin ich erstmal verwundert, dass ihr euch nicht für Berlin, sondern für Hamburg entschieden habt. Aber dafür gibt es sicherlich einen Grund?
Dominik: Wir haben unsere Software zunächst in München angeboten, zusammen mit unseren ersten Kunden getestet und stetig weiterentwickelt. Seit Mai rollen wir unseren Service aus und sind den Anfragen aus weiteren Städten nachgegangen. Interessanterweise kamen die Anfragen nicht aus den Städten mit den meisten Mobilitätsdiensten, sondern aus Städten mit größerem Nachhaltigkeitsbewusstsein.
Viviana: Wie sieht eure Vision aus? Was habt ihr in den nächsten Monaten vor? Welche Integrationen und Weiterentwicklungen sind geplant?
Dominik: Im Moment rollen wir unseren Service in den größten Städten Deutschlands und in Wien aus. Darüber hinaus sind wir dabei, einen Websocket zu entwickeln der es ermöglicht unsere Mobilitätsinformationen in andere Anwendungen, wie zum Beispiel Hausverwaltungssoftware, mit minimalem Aufwand zu integrieren. Ein weiteres Vorhaben ist die Darstellung von Mobilitätsinformationen für die Vermarktung von Immobilien, die Integration unseres Service in Exposés und einer Art Mobilitäts-Scoring.
Viviana: Vielen Dank für das Interview!
Dominik Radic ist Gründer des Münchner Startups Veomo. Zuvor studierte er Wirtschaftsingenieurwesen und setzte sich bei der BMW Group intensiv mit der datenbasierten Analyse von Wettbewerbsfahrzeugen und Fahrzeugstrategien auseinander. Um mehr Menschen von der neuen Mobilität zu überzeugen, entwickelt er im BMW Accelerator ein Intensivierungssystem für Car Sharing Nutzer und gründetet im Anschluss das Unternehmen Veomo. Die Software von Veomo informiert in Echtzeit auf großen Monitoren über verfügbare Mobilitätsdienste.
Viviana Plasil
Head of Marketing & Communications Germany bei Cushman & Wakefield